Nachdem Jeff Lynne, Bev Bevan & Roy Wood bereits mit ihrer Gruppe The Move regelmäßige Gäste in den Charts gewesen waren, zog es die drei Anfang der 70er zu neuen Abenteuern hin. Jeff: "Ende 1971 waren die Move gelaufen. Alles was wir wollten, war eine Gruppe mit Streichern. Alle anderen Bands hatten damals ihre Bläser, wir wollten etwas neues machen." Und tatsächlich: Was da im Jahr 1971 in den Studios ablief, war eine wilde Experimentierphase, in der sich vor allem Multiinstrumentalist Roy Wood austoben konnte. Auf seinen vier Songs des ersten Albums spielte er alle Instrumente selbst, ob es nun Streich-, Holzblas- oder andere Saiteninstrumente waren. Nur zum Trommeln sollte Bev Bevan ran, doch der wollte nicht. Beispielsweise beim Bürgerkriegsepos "The Battle Of Marston Moor (July 2nd, 1644)", in dem Roy Wood eine entscheidende Schlacht zwischen Oliver Cromwell und Karl I. darstellen wollte. Der gute Bev fand das Stück so schlimm, daß er nicht mal die paar Paukenschläge vollziehen wollte, die Roy von ihm verlangte. Folglich paukte Roy selbst und das auch nicht viel schlechter als Bev.
Sehr viel anders ging es da schon bei den fünf Stücken von Jeff Lynne zu. Lynne, im Gegensatz zu Wood, der bis heute ein genialer Musikfreak geblieben ist, vor allem ein kühl kalkulierender Organisator und begabter Verfasser von Ohrwürmern, holte sich Leute ins Studio, die seine Ideen umsetzen konnten. So stießen zum Trio Lynne, Wood und Bevan die beiden Musiker Steve Woolam (Violine) und Bill Hunt (Blechblasinstrumente). Das Endergebnis war eine Mischung aus eingängigen Popsongs und wildem Klassik-Pop-Mischmasch. Doch dem kaufenden Publikum in Europa machte das nichts aus, da alles, was progressiv oder experimentell war, Hochkonjunktur hatte.
Die erste Single "10538 Overture" stieß in England bis
auf Platz 9 vor, und das Album landete
auf dem 32. Platz. Der Start war also gelungen, wenngleich die Vereinigten Staaten mal wieder
auf den Ohren saßen. Zuerst nannte man das Album durch einen witzigen Fehler "No Answer" - die
Sekretärin von United Artists sollte den Albumtitel in England erfragen, erhielt jedoch keine
Verbindung und legte deswegen ihrem Chef einen Zettel auf den Tisch mit der Aufschrift "No
Answer", was dieser als Albumtitel auffasste - und dann ließen es die Fans in den Regalen
verstauben. Das kümmerte Wood und Co allerdings wenig, hatte man doch ganz andere Sorgen.
Man war auf der verzweifelten Suche nach rocktauglichen Streichern. Nach mehreren Anläufen hatte
man schließlich den Sessionmusiker Wilf Gibson als Geiger verpflichten können. Über ihn
fand man den Cellisten Hugh McDowell. Als zweiter Cellist wurde Mike Edwards
und als dritter Andy Craig
verpflichtet, Richard Tandy - ein alter Bekannter aus Move-Tagen - übernahm die Position
des Bassisten. Den Livekonzerten stand also nichts mehr im Weg... Fast nichts! Einige der ersten
Konzerte gerieten nämlich zum totalen Desaster, da die Streicher von der Rockbesetzung
übertönt wurde. Interne Querelen zwischen Jeff und Roy taten ein übriges. Nach einer Tournee
durch England und Italien wurde die Gruppe geteilt. Roy Wood nahm Hugh McDowell
und Bill Hunt mit in seine neu gegründete Formation Wizzard, während Jeff
Lynne mit Bev Bevan, Richard Tandy, Mike Edwards und Wilf Gibson
einen erneuten Versuch startete.
Richard Tandy wechselte an den Synthesizer und wurde durch Michael
de Albuquerque am Bass ersetzt. Ebenfalls neu dazu kam Colin Walker am Cello.
Diese Besetzung gab am 12. August in Reading auf dem alljährlich
stattfindenden Jazz- & Blues Festival ihr Debüt und konnte erstmals auch live überzeugen. Ihr
Manager Don Arden hatte aus den USA neu entwickelte Tonabnehmer von Barcus Berry
organisiert, welche in der Lage waren, die Streichinstrumente entsprechend zu verstärken. Der
Effekt war durchschlagend! Speziell die mit Beethoven-Einleitung versehene Fassung des Chuck
Berry Klassikers "Roll Over Beethoven" schlug in Reading ein wie eine Bombe und geriet als kurz
darauf veröffentlichte Single ebenfalls zum Hit. Er sicherte der Gruppe das Überleben, da das
zweite Album "ELO II" außer dieser Single kein weiteres Chartsmaterial enthielt.
Nach einer zweimonatigen USA-Tour im Sommer 1973 verließen Gibson und Walker die
Gruppe. Zuvor hatte man noch die nächste Single "Showdown" eingespielt, welche erneut zum Hit
geriet. Mit dem Neuzugang Mik Kaminski (Geige) wurde
das dritte Album "On The Third Day" beendet, welches zum ersten Mal ein Konzept erkennen
ließ. Jeff Lynne hatte den Kurs deutlich in Richtung Rockmusik verändert und die
Straffung des Konzepts hatte der Musik gut getan. Weniger Bombast, dafür bessere Songs hieß die
neue Marschrichtung, die vor allem in den USA viele Freunde fand. Nach den Aufnahmen zu "On The
Third Day" kehrte Hugh McDowell von Wizzard wieder zu ELO zurück, so daß die Besetzung
der Gruppe wieder ihre alte Stärke erreicht hatte.
Was dann folgte waren Touren, Touren und nochmals Touren. Da die USA der mit Abstand größte
Markt war und das einzige Land, in dem alle Alben in die Charts gekommen waren, hieß die
Parole "auf in die USA". Im November 1973 wurde "On The Third Day" veröffentlicht und
im Frühling 1974 folgte eine ausgedehnte Konzertreise durch die USA, bei der am 12. Mai 1974 in
Long Beach die Bandmaschinen mitliefen. Dieser Auftritt sollte später das Licht der Welt als
"The Night The Light Went On In Long Beach" erblicken. So stand das Electric Light
Orchestra Ende 1974 vor einer glänzenden Bilanz: Was nach "Roll Over Beethoven" wie ein
Zufallserfolg ausgesehen hatte, entpuppte sich mit "On The Third Day", "Showdown" und "Ma Ma Ma
Belle" als echter Dauerbrenner. Jeff Lynne hatte bewiesen, daß er seine Lektion bei den
Move gelernt hatte.
Dies zeigte sich speziell beim nächsten Album "Eldorado", das für
das Electric Light Orchestra den Durchbruch zum ganz großen Erfolg brachte.
Jeff
Lynne hatte erstmals ein großes Symphonieorchester und einen großen Chor zu den Aufnahmen
gebeten und so die Aufnahmen in Richtung Bombast gesteuert. Das Ergebnis gab ihm überdeutlich
Recht: Mit "Can´t Get It Out Of My Head" gelang ELO erstmals ein Top Ten Hit in den USA
und auch das Album zog nach: Es landete auf Platz 16 und wurde in den Vereinigten Staaten
vergoldet. Damit hatten Lynne und Co den Durchbruch geschafft.Trotz, oder wegen dieses
Erfolges, entschlossen sich Mike de Albuquerque und später Mike Edwards, die Gruppe zu
verlassen. Mit den Neuzugängen Kelly Groucutt im November 1974 und Melvyn Gale
in Januar 1975 wurde eine weitere
Tour in Angriff genommen, die im März 1975 nach Deutschland führte. Enttäuschend für ELO
war allerdings der schwache Besuch und die Tatsache, daß ihnen die Vorgruppe Barclay James
Harvest die Show stahl. Frustriert wurde die Tour abgebrochen. Wieder zurück in England
spielte man ein neues Album ein.
Im Oktober 1975 erschien "Face The Music" und machte allen
deutlich, daß die Zeiten experimenteller Musik endgültig der Vergangenheit angehörten.
Zwar war
die LP aufwendig von Reinhold Mack in den Münchner Musikland-Studios produziert worden,
aber die ELO-Streicher tauchten nur noch bei kurzen Soli auf, im Gegensatz zu "Eldorado",
als sie noch beinahe die Hälfte des Albums mit eingespielt hatten. Bandboß Jeff Lynne
hatte den Sound deutlich auf Erfolg und mehr Rock getrimmt, freilich nicht auf viel
Backgroundgesang und Soundeffekte verzichtet, die "Face The Music" sehr stromlinienförmig und
extrem eingängig machten. Das Ergebnis gab Lynne recht: "Evil Woman" geriet zum Welthit
und rutschte praktisch in alle Top Tens nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch in Großbritannien
und den USA Auch Single
Nr. 3 von "Face The Music", "Strange Magic", stieß in den USA und Europa beinahe bis in die
höchsten Höhen vor. Jeff Lynne hatte also sich und allen seinen Fans nachdrücklich
bewiesen, daß der Höhenflug und vor allem die eingängigen Songs von "Eldorado" keine
Eintagsfliegen waren, sondern Jeff Lynne offensichtlich zu der raren Gattung der
Songschreiber gehörte, die ein Ohr für Hits besitzen. Logisch, daß auf diesen Erfolg eine
Welttournee folgte, die bis Ende März 1976 dauerte.
Danach folgte der nächste Knaller. Noch nie hatte man so viele Platten von einer LP verkauft,
noch nie waren alle Singles von einer Scheibe Hits geworden. Bei "A New World Record" passierte
genau das: "Livin Thing", "Rockaria", "Do Ya" und "Telephone Line" gerieten sämtlich zu weltweiten
Charttreffern und sorgten dafür, daß 1976 zum ELO-Jahr ohne gleichen wurde. Von da an
ist kein Album von ELO unter der 5 Millionen-Marke mehr geblieben.
Mitte 1977 beschloß Jeff Lynne schließlich, daß das nächste Album ein Doppelalbum werden
sollte. Innerhalb von nur 14 Tagen schrieb Jeff Lynne im Schweizer Basin 13 Songs.
Danach ging es sofort in die Münchner Musicland Studios, in denen während drei Monaten das
Album eingespielt wurde. Das Album mit dem Titel "Out Of The Blue" sollte zum "Weißen Album"
von ELO werden. Bereits vor der Veröffentlichung lagen Vorbestellungen in Höhe von 47
Millionen Dollar vor! In England sollte es sagenhafte 108 Wochen in den Charts gelistet werden.
Titel wie "Turn To Stone", "Mr. Blue Sky", "Sweet Talking Woman", "It's Over" und "Wild West Hero" eroberten
die Charts in aller Welt.
Klar, daß als nächstes eine ausgedehnte Welttournee auf dem Plan stand. Im Februar 1978 war
Hawaii die erste Station des ELO-Trecks, der im Mai nach Deutschland und im Juni nach
England kam und überall enorme Erfolge feierte. Dazu trug die unglaublich gute Bühnenshow bei,
deren Herzstück, ein breites Raumschiff als Bühne, schon allein beeindruckte, doch durch die
glänzend abgestimmten Light- und Lasershows noch zusätzlich Dimensionen erhielt. "Discovery",
das nächste Album fiel wesentlich rhythmischer aus als "Out Of The Blue" und enthielt mit
"Shine A Little Love", "Last Train to London", "Confusion", "The Diary Of Horace Wimp" und
"Don´t Bring Me Down" erneut fünf
Singlehits.1980 folgte mit "Xanadu" die erste Filmmusik des Electric Light Orchestra.
Neben dem mit
Olivia Newton-John als Lead-Sängerin eingespielten Titeltrack fielen drei weitere
Singlehits ab. Bei insgesamt nur fünf ELO-Liedern sicherlich keine schlechte Bilanz. Die
Gruppe war inzwischen auf die Besetzung Jeff Lynne, Bev Bevan, Richard Tandy
und Kelly Groucutt geschrumpft und spielte reinen Pop, sehr zum Leidwesen der Kritiker.
Mit dem Album "Time" wurde darauf reagiert. Das Werk fiel wieder härter aus, Keyboardsound
dominierte. Wie "Out Of The Blue" besaß auch "Time" sein Science-Fiction-Konzept und auch der
Erfolg der Singles und des Albums war erneut weltweit. Eine ausgedehnte Welttournee, die ihre
letzte sein sollte, folgte. Dabei wurde die Truppe Lynne, Bevan, Tandy,
Groucutt noch durch Dave Morgan, Louis Clark und Mik Kaminski
verstärkt.
Zu den optischen Reizen gehörte ein Roboter, der das Intro und Outro zur Show sprach.
Ansonsten verzichteten ELO diesmal auf optische Gimmicks.
Zwei Jahre später erschien mit
"Secret Messages" ein wieder gitarrenbetonteres Album. Ursprünglich als Doppelalbum geplant und
eingespielt, wurde es kurzerhand von der Plattenfirma zum einfachen Album zusamengekürzt, was
dem Album jedoch eher schadete, da es dadurch völlig zusammenhangslos wurde. Drei der vier
unveröffentlichten Lieder erschienen 1990 auf der 3-CD Box "Afterglow", die aus Anlaß des
20-jährigen Bestehens des Electric Light Orchestra in den USA veröffentlicht wurde.
1986 erschien mit "Balance Of Power" das vorerst letzte Album der Gruppe um Jeff Lynne, die nun
auf ein Trio geschrumpft war (Jeff, Bev und Richard), welches mit "Calling America" und "So
Serious" noch einmal zwei Hits ablieferte. In diesem Jahr konnte man ELO auch zum allerletzten
mal live erleben: Zuerst beim Wohltätigkeitskonzert "Heartbeat '86" in der Birminghamer NEC
Arena, das Bev Bevan organisiert hatte, und später dann noch einmal in London (Wembley Arena)
und bei zwei Gigs mit Rod Stewart in Deutschland. Fortan hörte die Gruppe auf zu
existieren: Jeff Lynne widmete sich seiner Karriere als Produzent, Mik Kaminski
und Kelly Groucutt riefen OrKestra ins Leben und Bev Bevan brachte einige
Jahre später das Electric Light Orchestra Part II zusammen.
Nach 15 Jahren Pause erschien im Juni 2001 das Album "Zoom". Jeff Lynne hatte nach dieser langen
Zeit Lust bekommen, das Electric Light Orchestra wieder aufleben zu lassen. Nach vielen Projekten
als Produzent anderer Musiker, war es für ihn an der Zeit wieder etwas Eigenes zu veröffentlichen.
Nach dem Weggang von Bev Bevan Ende 1999 musste sich die Band, die als E.L.O. Part II durch die Welt
reiste, einen neuen Namen suchen, denn Jeff Lynne hatte sich jetzt die alleinigen Rechte am Namen
Electric Light Orchestra gesichert.
Das neue Album "Zoom" war von Jeff Lynne in einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren mehr oder weniger
im Alleingang aufgenommen worden. Von den ehemaligen Bandmitgliedern hatte nur Richard Tandy
einen Gastauftritt, und zwar auch nur auf der ersten Single "Alright".
Weitere Gastauftritte gab es unter anderem von George Harrison, Ringo Starr,
Rosie Vela und Marc Mann.
Obwohl das Album auch bei den Kritikern verhältnismäßig gut ankam und in Deutschland sogar in die
Top 20 kam, blieb der ganz große Erfolg leider aus. Beide Singles "Alright" und "Moment in Paradise"
erschienen in den meisten Ländern nur als Promo und die geplante USA Tour wurde später abgesagt.
Dennoch ist "Zoom" ein sehr gelungenes Album, das mit einer besserer Promotion seitens der
Plattenfirma sicher noch erfolgreicher hätte sein können.
Letzte Änderung: 12.02.2018